Wir sind ja angeblich verantwortlich für den Klimawandel. Aber wer ist dieses wir eigentlich?

Naiv stellt man sich dieses wir gerne wie einen einzelnen großen Menschen vor. So einen ungehobelten Typen, der sich nicht zu benehmen weiß und rücksichtslos nur seine eigenen Wünsche verfolgt.

Dieser Typ hat ein Zimmer im Hotel Natur bezogen, in dem schon viele andere Gäste leben, die Bäume, die Käfer und alle anderen Lebensformen. Am Frühstücksbuffet frisst er dermaßen in sich hinein, dass viele andere Gäste hungrig bleiben. Sein eigenes Zimmer verwüstet er regelmäßig, das Hotelpersonal kommt gar nicht nach, es immer wieder in Ordnung zu bringen. Er beginnt, in die Zimmer der anderen Gäste einzudringen und diese zu plündern, als Krönung hat er nun auch noch das Hotel angezündet.

Eine verlockende Vorstellung, aber bei genauem Hinsehen absolut unpassend. Warum?

Ein Diamant ist kein großes Kohlenstoffatom. Er hat völlig andere Eigenschaften, und die Eigenschaften ein einzelnes Kohlenstoffatom zu beschreiben, passen überhaupt nicht auf einen Diamanten.

Ein Sandhaufen ist kein Sandkorn. Das Sandkorn ist hart und rund, der Sandhaufen ist verformbar und unrund. Wenn es aus irgendeinem Grund wünschenswert wäre, den Haufen hart und rund zu machen, dann hülfe es nichts, am einzelnen Sandkorn anzusetzen, und dieses noch härter und runder zu machen.

In diesem Sinn ist die Menschheit ein Haufen, aber kein großer Mensch und, mehr noch, die Menschheit ist kein Wesen, welches bewusste Entscheidungen trifft. Bewusste Entscheidungen sind aber die Voraussetzung für ethisches Handeln. Wer kein Bewusstsein hat, an den kann man keine ethischen oder moralischen Kriterien anlegen.

Ist das nicht ein Widerspruch dazu, dass die Menschheit sich offenbar entwickelt hat, dass wir heute ganz anders leben, als vor 100, 1.000 oder gar 100.000 Jahren? Beweist diese Entwicklung nicht, dass es doch so etwas wie ein sich entwickelndes Gesamtbewusstsein der Menschen gibt?

Nein, tut es nicht. Wir leben heute anders, weil die Umstände anders sind, und wir uns daran anpassen. Teil dieser Umstände ist auch das Wissen, das heute in unseren Köpfen gespeichert ist. Jeder einzelne verhält sich anders auf Grund seines Wissens, und seiner Lebensumstände. Damit ergibt sich auch ein geändertes Verhalten der Menschheit insgesamt, aber dieses geänderte Gesamtverhalten ist kein Indiz für so etwas wie ein Gesamtbewusstsein der Menschheit.

Die Aussage, der Mensch sei verantwortlich für den Klimawandel, ist daher ein Kategorienfehler, denn Verantwortung ist ein ethischer Begriff. Ich leugne nicht, dass die Ursache für den Klimawandel in menschlicher Aktivität liegt. Aber Ursache ist nicht gleich Verantwortung.

Also ist dann doch jeder Einzelne verantwortlich?

Nein, so wenig wie das einzelne Sandkorn die Eigenschaften des Haufens verändern kann, kann der einzelne Mensch das Verhalten der Menschheit beeinflussen. Moralisches Verhalten des Einzelnen führt nicht dazu, dass die Menschheit sich moralisch verhält.

Warum ist das wichtig? Kommt es nicht einfach darauf an, das Beste aus der Situation zu machen?

Die Diskussion über die erforderlichen Maßnahmen bekommt durch die ethisch-moralische Dimension eine Schlagseite auf die Verhinderung des Klimawandels. Unethisches Handeln muss verhindert werden, selbst dann, wenn es zu einer Verbesserung der Gesamtsituation führen würde. Maßnahmen, die das Leben mit dem Klimawandel besser machen geraten zu Maßnahmen zweiter Klasse.

In der womöglich größten Krise der Menschheit führen Schuldgefühle und schlechtes Gewissen zu nicht optimalem Einsatz unserer Ressourcen und in der Folge zu unnötigem Leid und Tod.

Wer sind wir?

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