Diese unschuldige Wortkombination hört man gelegentlich in Diskussionen um die Energiewende. Sie löst spontan keine Reaktion aus, dafür klingt sie zu technisch-bürokratisch. Der Begriff erfordert eine etwas tiefere Analyse, um zu verstehen, welche Gemeinheit sich dahinter verbirgt. Hier mein Versuch.

Wer fordert es?

Eine der Argumentationslinien der Grünen zur Verteidigung der Energiewende gegen Kritiker lautet, nur der Mix aus allen von ihnen gewünschten Maßnahmen ermögliche diese. Eine diese Maßnahmen sei die angebotsorientierte Stromversorgung.1

Der Begriff kann variiert werden, manchmal ist beispielsweise von angebotsorientierter Strombepreisung oder, besonders verlogen, von virtuellen Speichern die Rede.2

Allen Varianten gemein ist, dass sie verstecken, welche Art Einschränkungen darin verborgen sind.

Was ist es?

Im Wesentlichen heißt das, dass die Strompreise sich sehr viel flexibler marktgerecht verändern, je nach Angebot und Verbrauch. Dies wird erforderlich, weil wir – im Gegensatz zu heute – keine schnell regelbaren Stromerzeuger haben werden, die sich sekundengenau dem Verbrauch anpassen können. Stattdessen setzen wir auf Stromquellen, die sich den Teufel um den Verbrauch kümmern, sondern selbst mal mehr mal weniger erzeugen, ohne sich groß beeinflussen zu lassen. In Zukunft muss der Stromverbrauch sich an der erzeugten Menge orientieren, und hier, wo es um das Überbringen der Unannehmlichkeiten an die Menschen geht, erinnern sich die Grünen der Marktwirtschaft. Der Preis soll die Leute zwingen, ihren Verbrauch jederzeit an die erzeugte Menge anzupassen.

Wer wird den Strom aus den staatlichen Energiespeichern bekommen?

Natürlich gibt es ein paar Reserven in Form von Wasserkraft oder ähnlichen Systemen. Diese sind aber viel zu gering, um uns über den Winter zu bringen. Die Reserven werden vom Staat den absolut lebensnotwendigen Verbrauchern zugeteilt werden. Krankenhäuser, Polizei, Bundeswehr, Behörden, evtl. Eisenbahnen und einige nicht abschaltbare Industrieanlagen werden sich um die spärlichen Reserven balgen. Privatleute und die meisten Firmen werden leer ausgehen.

Was wird praktisch passieren?

Arbeitszeiten werden noch flexibler: Zukünftig wird gearbeitet, wenn der Strom billig ist, oft dann, wenn das Wetter schön ist. Außerdem müssen wir diese Phasen dazu nutzen, um Wäsche zu waschen, Geschirr zu spülen, Staub zu saugen, oder sonstige stromfressende Tätigkeiten zu erledigen.

Den Jahresurlaub werden viele in der dunklen, energiearmen Jahreszeit nehmen müssen.

Bei schlechtem Wetter werden wir untätig und gelangweilt zuhause sitzen. Firmen werden uns heimschicken, und die Angestellten im Home-Office schließen den Firmen-Laptop auch lieber nicht in Zeiten des besonders teuren Stroms an ihre Privatsteckdose an.

Keiner sollte glauben, der Gesetzgeber würde ihn vor Sonn- und Feiertagsarbeit beschützen. Der Hinweis der Arbeitgeber auf die internationale Konkurrenz, die Angst vor Arbeitslosigkeit durch wegziehende oder insolvent gewordene Unternehmen, vor allem aber der Klimaschutz-Aspekt, der verlangt, den Strom dann zu verbrauchen, wenn er mit Sonne und Wind produziert werden kann, werden alle Schutzgesetze in dieser Hinsicht niederreißen.

Wie teuer wird es werden?

Seien wir erst mal pessimistisch.

Keine Energiespeichertechnik wird rechtzeitig entwickelt und im großen Stil ausgebaut werden können, Kernkraft wird europaweit abgeschaltet, wie von deutschen Umweltschützern gefordert.3

Angebotsorientierte Stromversorgung heißt: Das Angebot ist fix, durch Wind und Wetter von außen vorgegeben und steigt auch nicht, wenn die Leute bereit wären, mehr für den Strom zu zahlen. Der Preis regelt sich so ein, dass genau das an Strom verbraucht wird, was produziert werden kann.

Wenn null Strom produziert wird, steigt der Preis so weit, bis jeder seinen Verbrauch auf null gesenkt hat.

Es wird so teuer, dass jeder ohne eigenen Stromspeicher komplett auf Strom verzichtet. Nicht nur kein Fernsehen, kein Gaming-PC und kein Internet (Router brauchen auch Strom), sondern auch kein Licht, keine Heizung, keine Schlafapnoe-Maske, kein Kühlschrank. Ein paar Leute werden versuchen, im Schein einer Kerze ein gutes altes Buch zu lesen, und sich einreden, dies wäre viel schöner als das moderne Leben mit dem ganzen Technik-Schnickschnack. So verlangt es der opportune, grün-naturromantische Zeitgeist.

Brennende, rapide in der Sehkraft nachlassende Augen werden schnell klarmachen, was sie von dieser Schnapsidee halten.

Wer wird fein raus sein?

Wer im idealerweise viel zu großen eigenen Haus lebt, hat es relativ gut. Weitsichtig war es, bei der Eigenheimplanung den Fall anzunehmen, dass mehrere Verwandte gleichzeitig Unterschlupf finden müssen, oder später alle Kinder mit ihren Familien bei den Eltern einziehen. Die überflüssigen Gäste- und Kinderzimmer und den ungenutzten Keller kann man jetzt mit Batterien, Wasserstoffspeichern oder exotischen Gerätschaften aus der Bastlerszene vollstopfen.4 Dann hat man in der Dunkelflaute wenigstens genug Strom für das gewohnte Leben mit elektrischem Licht, TV, Internet, etc., und kann sich dabei in der Vorstellung laben, gerade aktiv die Welt zu retten.

Wen wird es hart treffen?

Leiden wird, wer aus unterschiedlichen Gründen keinen eigenen Energiespeicher haben kann, z.B. aus Platzmangel.

Ich selbst gehöre wahrscheinlich nicht zur ärmeren Hälfte in diesem Land, dennoch wüsste ich nicht, wo ich nennenswerte Energiespeicher unterbringen könnte. Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus und mein Kellerabteil ist ganze sechs Quadratmeter groß. Darin befinden sich bereits ein bis zwei Fahrräder, Wasservorräte und v.a. all die Bücher, die als Rentner zu lesen ich mir vorgenommen habe, idealerweise nicht im Kerzenlicht. Einen größeren Lithium-Ionen-Akku oder einen Druckluft-Energiespeicher bringe ich da nicht mehr hinein.

Blöd war es, durch genau passende Größenwahl meiner Eigentumswohnung so wenig wie möglich zum Flächenverbrauch in diesem Land beitragen zu wollen.

Wer als Verkäufer nach Ladenschluss im Winter klimagerecht mit dem Fahrrad heimfährt, womöglich feucht und ausgekühlt in seiner kleinen kalten Wohnung ankommt, der braucht nicht zu glauben, er könne sich jetzt ein warmes Essen zubereiten, oder auch nur warm duschen.

Im Winter früh vor dem Gang zur Arbeit noch einen Kaffee kochen? Nix da, Strom ist jetzt viel zu teuer!

Und Platz ist nur das eine Problem, selbstverständlich sind größere Energiespeicher teuer in Anschaffung und Unterhalt. Energiequellen können zerstörerisch wirken, das liegt im Wesen der Energie. Die Speicher müssen, um sicher zu bleiben, regelmäßig gewartet und nachgerüstet werden. Jede durch Lithium-Batterien ausgelöste größere Brandkatastrophe, jede Knallgasexplosion eines Wasserstofftankes wird zu neuen Sicherheitsstandards führen, teilweise mit Nachrüstzwang.

Arme Leute werden auch aus Kostengründen keine Energiespeicher zur Verfügung haben und sich der Diktatur der angebotsorientierten Stromversorgung hilflos ausgeliefert sehen.

Etwas Optimismus zum Schluss

Übertriebene Schwarzmalerei soll den Klimaschützern vorbehalten bleiben. Wir wollen unsere explizit pessimistischen Annahmen nicht vergessen. Diese werden nicht eintreten. Zwar wird es tatsächlich auf absehbare Zeit keine billige gespeicherte Energie geben. Diese Speicher müssen erst in großer Menge da sein, bevor ich an sie glaube.

Es wird jedoch Kernenergie geben. Die meisten Völker sind pragmatischer als das deutsche. Sie werden im Laufe der nächsten Jahre viele neue KKW’s bauen. Das europäische Verbund-Stromnetz wird dann auch für uns das Schlimmste verhindern.

Wir brauchen auch keine Angst davor zu haben, die Uranreserven würden nur für 30 Jahre reichen. Hierbei handelt es sich um einen alten Irrtum, den viele Linke seit Jahrzehnten bei allen möglichen Ressourcen gerne begehen, heimlich darauf hoffend, das kapitalistische Wirtschaftssystem möge daran zerbrechen. Sie verwechseln die existierenden Vorräte mit den bekannten Vorräten und übersehen dabei, dass niemand sich die Mühe und Kosten macht, weiter zu suchen, wenn auf absehbare Zeit ausreichende Lagerstätten bekannt sind.

Auch die horrenden Schwierigkeiten der Atommüll-Entsorgung sind hausgemacht. Nach Jahrzehnten grüner Gehirnwäsche haben wir in Deutschland hysterisch die Sicherheitsvorschriften für Endlager auf ein absurdes Niveau angehoben, eben genau in der Absicht, die Kernenergie unbezahlbar zu machen.

Fazit

Angebotsorientierte Stromversorgung trägt nichts zur Linderung des Strommangels bei, sondern ist das marktwirtschaftlich verklausulierte Eingeständnis des kommenden Wohlstandsverlustes. Der Begriff ist ein Euphemismus für Armut. Nicht die erneuerbaren Energiequellen werden uns vor dem Übelsten schützen, sondern die Vernunft unserer Kernenergie nutzenden Nachbarn.

Fußnoten

  1. Zum Beispiel in der Rede der grünen Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl im Deutschen Bundestag vom 14. April 2021. Hier abrufbar. ↩︎
  2. In der Phoenix-Sendung Unter den Linden Die Energiewende: Ökologisch notwendig, ökonomisch gefährlich? Am 18. November 2023 war diese Sendung in der ARD-Mediathek noch aufrufbar. ↩︎
  3. Quelle: Dokument des Bundesumweltministeriums vom 11. März 2021; Fairerweise muss angemerkt werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Grünen nicht in der Regierungs-Verantwortung waren. ↩︎
  4. Beispiel eins; Beispiel zwei ↩︎
Was heißt angebotsorientierte Stromversorgung?

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