Sonne und Wind schicken keine Rechnung. Dies ist einer der vorgebrachten Gründe, warum Deutschland in Zukunft ausschließlich auf diese zwei Energiequellen setzen sollte. Stimmt das, oder ist es nur eine weitere Irreführung im Umfeld grüner Themen?

Eigentlich wollte ich nichts zu diesem Thema schreiben, da ich davon ausging, die hohen Strompreise hätten inzwischen jedem Bewohner Deutschlands klarmachen müssen, welche Blendgranate diese Behauptung darstellt. Dann kam Saskia Esken. Die Selbstverständlichkeit, mit der die SPD-Vorsitzende in der TV-Sendung von Markus Lanz am 13. Juni 2024 behauptete, erneuerbare Energien seien bekanntlich günstig, weil die Sonne keine Rechnung schicke1, trieb mich an, doch etwas dazuzuschreiben. Entweder glaubt sie immer noch selbst daran, oder sie hält einen signifikanten Teil ihrer potenziellen Wähler für davon beirrbar.

Ich möchte mit einem verwandten Thema beginnen. Oft hört man Klagen über den völlig überzogenen Preis eines bestimmten Produktes im Vergleich zu seinem viel geringeren Materialwert. Ist eine solche Kritik berechtigt? Ich meine, nein, niemals. Diese Kritik zeugt von einem völligen Unverständnis darüber, worin der Wert eines Produktes besteht.

Innerhalb des Herstellers des Produktes ist die Einteilung in Materialkosten und Lohnkosten sinnvoll. Aber wohin fließen die Materialkosten? Zu den Herstellern der entsprechenden Vorprodukte. Diese haben wiederum Material- und Lohnkosten. Für deren Materialkosten gilt dann abermals das Gleiche.

Am Beginn dieser Kette stehen Unternehmen, die natürliche Ressourcen verwerten, z.B. Landwirte oder Minen. Verfolgen wir die Herstellungskette eines Produktes bis an dessen Anfang zurück, bleiben nur noch Lohnkosten.

Der Begriff des Lohns muss hier sehr allgemein verstanden werden. Er umfasst auch den Gewinn von privaten Eigentümern und Aktionären, Zinsen, selbst Steuern (als Lohn für erbrachte staatliche Dienstleistungen) Auch Investitionen in Betriebsmittel wie Land, Gebäude oder Maschinen zähle ich der Einfachheit halber zu den Lohnkosten, denn auch deren Materialwert ist am Ende null.

Lohnkosten in diesem Sinne sind alle Leistungen, die an Menschen gezahlt werden.

Wir sehen, der Materialwert ist eine rein betriebswirtschaftliche Größe. Bei einem Produkt zwischen dessen Materialwert und sonstigen Werten zu unterscheiden, ergibt innerhalb eines Betriebes Sinn, hier sind die Materialkosten die Lohnkosten der Zulieferer. Diese Einteilung lässt sich nicht sinnvoll auf das Produkt selbst übertragen. Der Materialwert ist exakt null. Die gesamten Herstellungskosten eines Produktes sind Entschädigungen für Leute, die etwas opfern, um das Produkt herstellen zu können. Das kann deren Zeit und Gesundheit sein, die während der Arbeit verloren geht, es kann auch sein, dass jemand einen Teil seines Eigentums zur Nutzung des Produktes verwenden lässt.

Das dürft ihr übrigens auch bedenken, wenn mal wieder jemand vehement Reparieren oder Recyclen durchsetzen will, obwohl wegwerfen und neu machen viel einfacher und damit billiger wäre. Dieser Forderung liegt oft die Vorstellung zu Grunde, den Materialwert retten zu können.

Das heißt nicht, dass jeder Preis moralisch gerechtfertigt ist. Um Gerechtigkeit geht es in diesem Artikel nicht. In den Gesamtkosten sind auch u.U. Schutzgeldzahlungen oder Bestechungsgelder enthalten, und Informationsasymmetrien zwischen den Beteiligten verzerren die Preise.

Das ändert nichts an der zentralen Aussage dieses Artikels:

Geld läuft immer nur zwischen Menschen um; die Natur, der Planet, Pflanzen, Tiere oder Außerirdische haben sich noch niemals an unserem Geldkreislauf beteiligt.

Hier angekommen, fällt die Übertragung auf die ursprüngliche Frage nicht mehr schwer. Bei der Produktion von Energie gelten dieselben Überlegungen wie bei materiellen Produkten.

Die früheste genutzte Energiequelle war die Nahrung, die wir zu uns nehmen. Diese bestand aus Beeren, Früchten und gelegentlichem Fleisch, für das niemand eine Rechnung stellte, solange wir sie selbst beschafften. Halfen uns andere bei der Beschaffung, verlangten diese evtl. eine Gegengefälligkeit.

Dies änderte sich auch nicht, als die Menschen sesshaft wurden und ihre Nahrung gezielt anbauten. Nicht die Natur stellte eine Rechnung, sondern höchstens der Bauer, dessen Arbeit der Natur eine erhöhte Nahrungsmittelproduktion abrang.

Das Brennholz wuchs umsonst, erst das Einsammeln kostete Zeit und Mühe.

Fossile Brennstoffe sind das Ergebnis jahrmillionenlanger Fotosynthese. Bezahlen müssen wir für den Aufwand, sie aus dem Boden zu holen, nicht für die Entstehung. Ist schließlich Sonnenenergie.

Die Uran-Atomkerne für unsere ehemaligen (und zukünftigen, ich will Optimist sein) Kernkraftwerke wurden nicht von Konzernen in werkseigenen Supernovae zusammengebrutzelt, sondern in solchen außerhalb der Erde. Wir stauben sie nur ab. Ganz ohne Rechnung.

Wenden wir uns konkret Sonne und Wind zu. Folgende Kostenverursacher fallen mir ein:

  • Über den im Vergleich zu den im letzten Jahrhundert etablierten Energiequellen riesigen Flächenbedarf kann man noch diskutieren. Braunkohle-Tagebau ist auch nicht gerade flächenschonend. Die für Windenergie vorgesehene Fläche (laut Wind-an-Land-Gesetz2 sollen bis 2032 zwei Prozent der Fläche Deutschlands dafür genutzt werden, also gut 7.000 Quadratkilometer) bleibt für einige Anwendungen wie Landwirtschaft zum Großteil verfügbar. Photovoltaik-Anlagen kann man gut auf Dächern oder anderen Flächen anbringen, die sonst schlecht zu nutzen sind.
    Dennoch ist unsere Flexibilität in Bezug auf diese Flächen eingeschränkt, was in einer Marktwirtschaft durch Kosten repräsentiert wird. Durch nicht-marktwirtschaftliche Eingriffe könnten diese Kosten weggetarnt werden, die Flächeneinschränkung bleibt.
  • Die Vielzahl an Einzelkraftwerken muss nicht nur produziert werden, sondern auch permanent gewartet und ersetzt werden.
  • Das Zusammenführen der Energie aus vielen kleinen Quellen ist aufwändiger als aus wenigen großen.
  • Die Energie aus Sonne und Wind fließt nicht stetig, sondern ungleichmäßig. Um den Verbrauchern eine stabile Versorgung zu bieten, sind erhebliche Anstrengungen zur Stabilisierung erforderlich. Neue Stromleitungen, Backup-Kraftwerke, willige Nachbarländer, die gegen Bezahlung unsere Schwankungen in der Stromproduktion ausgleichen, evtl. Speicher, basierend auf welcher Technologie auch immer. Dies alles muss entwickelt, gebaut und unterhalten werden.
  • Was die von Sonne- und Windnutzung ausgehenden Umweltschäden und Gefahren angeht, stehen wir erst am Anfang unserer Lernkurve. Umbauten und Nachrüstungen werden erforderlich sein.

Zusammengefasst: Sonne und Wind erfordern stetes Bereitstellen von Ressourcen und Arbeitskraft. Dies wird in Rechnung gestellt werden. Kostenlos werden die sogenannten erneuerbaren Energien erst, wenn ein künftiger Messias grünen Wasserstoff vorbeibringt, der sich beim Aufteilen immer weiter vermehrt.

Fazit

Formal ist es korrekt, dass Sonne und Wind keine Rechnung schicken. Dennoch ist es irreführend, denn es unterstellt hinterhältig die irrige Annahme, andere Energiequellen würden eine Rechnung schicken. Anders ergäbe die Aussage keinen Sinn. Tatsächlich jedoch schickt keine Energiequelle eine Rechnung. Alle Kosten, die wir für unseren Strom bezahlen, sind ausschließlich Zahlungen an Menschen, die in irgendeiner Form daran beteiligt sind, die ursprünglich von der Natur kostenlos zur Verfügung gestellte Energie in eine für uns nutzbare Form zu bringen.

Wie teuer eine Energieform ist, hängt ausschließlich davon ab, wie viel Arbeit in der Nutzbarmachung dieser Energie steckt. Die jetzigen hohen Energiepreise in Deutschland sind das Resultat der vielen notwendigen Arbeit, um Sonne und Wind als Energiequelle zu nutzen.

Diese Irreführung beruht auf einem grundlegenden Nichtverstehen des Wesens von Geld. Geld ist keine natürliche Ressource. Geld ist der Mechanismus, mit dem die Menschen ihre gegenseitigen Verbindlichkeiten verwalten.

Ob denjenigen Politikern, die mit diesem Satz Sonne und Wind schicken keine Rechnung für die deutsche Energiewende werben, darunter immerhin der Wirtschaftsminister, dieses Verständnis selbst fehlt, oder ob sie wider besseres Wissen das Unverständnis vieler Bürger ausnutzen, das will ich gar nicht wissen. Und auch nicht darüber nachdenken, was denn schlimmer wäre.

Fußnoten

  1. Ab Minute 11:30. Stand 16. August 2024 ist die Sendung noch in der ZDF-Mediathek abrufbar:
    https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-13-juni-2024-100.html ↩︎
  2. https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte/klimaschutz/wind-an-land-gesetz-2052764 ↩︎

Wer schickt keine Rechnung?

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